Autorenangaben
Jrg Dierken ist Professor fr Systematische Theologie und Ethik an der Martin-Luther-Universitt Halle-Wittenberg. Dirk Evers ist Professor fr Systematische Theologie und Dogmatik an der Martin-Luther-Universitt Halle-Wittenberg.
ber das Buch
Religion und Politik bilden seit jeher ein spannungsvolles Geflecht wechselseitiger Begrndungs- und Abgrenzungsprozesse. Die in diesem Band versammelten Autoren beleuchten historische und aktuelle Konstellationen dieser Prozesse durch die Verschrnkung von systematischen und historischen Perspektiven. So reicht die Spannweite der Beitrge von der Frhzeit des Christentums ber die Reformation bis hin zu Schelling, Schleiermacher, Troeltsch und Barth, whrend gleichzeitig aktuelle Debatten u.a. zur Theologie in der DDR, zur Bedeutung der Menschenrechte, zum Konzept der inneren Fhrung und zur Flchtlingsdebatte kritisch nachgezeichnet werden.
Abstract The article examines the different images of the emperor Licinius sketched by the contemporary Christian authors Lactantius and Eusebius. Corresponding to the changes of Licinius political and military fate, these authors portray him as a protector and even avenger of the Christians in the beginning as well as a persecutor of the Christians at the end.
Die antike christliche Apologetik und Historiographie haben ber die Jahrhunderte hinweg gleichsam einen Kanon der Christenverfolger geschaffen, der bestimmten rmischen Kaisern dezidierte Christenverfolgungen zuschreibt, whrend er andere Kaiser zu diesem Punkte mehr oder weniger schweigend bergeht. Dieser Kanon hat, abhngig von den jeweiligen Autoren, gewisse Unschrfen an den Rndern, ist aber insgesamt erstaunlich kongruent. Er beginnt in der Regel bei Nero und setzt sich fort ber Domitian, Decius, Valerian und Aurelian bis hin zu den Tetrarchen der Diokletianischen Verfolgung. 12 unter ganz anderen Bedingungen, dem Apostatenkaiser Julian Verfolgungen von Christen zugeschrieben.
Die Ausprgung dieses Kanons erfolgte nach bestimmten apologetischen und historiographischen Prmissen, die in der Literatur oft beschrieben worden sind.
Unter dieser Voraussetzung erscheint es reizvoll, die christliche berlieferung ber den Kaiser Licinius kritisch in Augenschein zu nehmen, zumal diese in den verschiedenen Stadien ihres Entstehens sehr unterschiedliche Liciniusbilder zeichnet. Die Palette reicht vom (anfnglichen) Rcher der Christen bis zum (letztendlichen) Christenverfolger. Ich beabsichtige zunchst, in einem kurzen Abriss die wichtigsten Ereignisse der Regierungszeit des Licinius in Erinnerung zu 12 | 13 rufen (I.), sichte dann die Texte der wichtigsten Autoren der sptantiken christlichen berlieferung, also Laktanz (II.A.) , Eusebius von Caesarea (II.B.) und die sptere Mrtyrerberlieferung (II.C.) und schliee mit einer zusammenfassenden Bewertung (III.) . Ich versuche damit, einen Beitrag aus der Werkstatt der Patristik zum Themenfeld Religion und Politik zu liefern, das seit jeher das Interesse des Jubilars in besonderem Mae auf sich gezogen hat.
I.
Bruno Bleckmann hat 2010 in seinem Artikel Licinius im Reallexikon fr Antike und Christentum Quellenlage und Forschungsstand kritisch aufgearbeitet. im Kern besttigte und seine Anwendung fr beide Reichsteile vorsah. Diese Vereinbarung erklrte Licinius nach seinem Sieg ber Maximin Daja ausdrcklich als auch fr den nun von ihm beherrschten Osten gltig.
Die zweite Phase der politischen Karriere des Licinius (313317) war gekennzeichnet durch eine allmhliche Verschlechterung des Verhltnisses zu Konstantin. Diese war im Wesentlichen darauf zurckzufhren, dass Licinius durch den Besitz von Illyrien, Kleinasien und dem ganzen Osten ein territoriales und politisches bergewicht hatte, das Konstantin durch verschiedene Manahmen zu mindern suchte. 15 denn whrend Konstantin fr sich zwei Caesares nominierte, durfte Licinius nur einen stellen, seinen damals gerade zweijhrigen Sohn Licinius Junior.
In der dritten Phase des politischen Weges des Licinius (317325) zeigt sich nach einer anfnglichen kurzen Friedens- und Kooperationsphase auf vielen Ebenen die Vorbereitung einer neuerlichen kriegerischen Konfrontation mit Konstantin, die von beiden Kontrahenten ausgegangen zu sein scheint. Licinius erlie fr seinen Reichsteil unabhngig von Konstantin eigene Gesetze, Den sich anschlieenden Verwandtenmorden fiel ein Jahr spter auch sein Sohn Licinius Junior zum Opfer. Licinius verfiel der damnatio memoriae, allerdings blieb er durch die konstantinisch-christliche Geschichtsschreibung dem kollektiven Gedchtnis des imperium Romanum als besiegter Rivale Konstantins noch eine ganze Weile lang erhalten.
II.
Im Folgenden sollen die wichtigsten christlichen Autoren der Sptantike, die sich mit Licinius beschftigen, auf das von ihnen gezeichnete Liciniusbild hin untersucht werden. 15 | 16
A.
Der erste der in Rede stehenden Autoren ist der um 250 in Nordafrika geborene Rhetor L. Caelius Firmianus Lactantius. fllt also in die zweite Phase der Karriere des Licinius, in die Zeit zwischen seinem Sieg ber Maximin Daja und dem bellum Cibalense.
Das von Laktanz prsentierte Liciniusbild ist nun ganz davon geprgt, dass der Sieg des Licinius ber Maximin Daja als Strafgericht gegen den christenverfolgenden Gottesfeind gedeutet wird. Laktanz stellt Licinius wegen der Mailnder Vereinbarung von 313 auf eine Stufe mit Konstantin. Beide sind von Gott aufgerufene Herrscher, die der Tyrannen frevelhafte, blutige Befehle aufhoben und sich des Menschengeschlechtes annahmen. Daraufhin lsst Laktanz dem Licinius einen Engel erscheinen. In mort. pers. 46, 37 heit es:
Daraufhin tritt in der nchsten Nacht ein Engel Gottes an den schlafenden Licinius heran und fordert ihn auf, schleunigst aufzustehen und zum hchsten Gott mit seinem ganzen Heer zu beten; sein werde der Sieg sein, wenn er dies tue. Als er nach diesen Worten weitertrumte, er stehe auf, und sein Mahner noch neben ihm stand, da brachte dieser ihm bei, wie und mit welchen Worten er beten msse. Er schttelte hierauf den Schlaf ab, lie einen Schreiber holen und diktierte ihm wie er es gehrt hatte, die folgenden Worte: Hchster Gott, wir bitten Dich, heiliger Gott, wir bitten Dich! Alle Gerechtigkeit vertrauen wir Dir an, unser Wohlergehen vertrauen wir Dir an, unsere Herrschaft vertrauen wir Dir an. Durch Dich leben wir und durch Dich sind wir siegreich und glcklich. Hchster, heiliger Gott, erhre unser Bitten! Unsere Arme erheben wir zu Dir. Erhre, heiliger, hchster Gott! ` Er lsst diese Worte auf mehrere Bltter schreiben und an die Kommandanten und Tribunen verteilen, damit sie ein jeder seinen Soldaten beibringe. Die Zuversicht wuchs allen, da sie glaubten, der Sieg sei ihnen vom Himmel herab verkndet worden.
Das Gebet wird dann, so der weitere Bericht des Laktanz, von den Licinianern tatschlich in der Schlacht gesprochen und fhrt zur Festigung ihres Mutes, zur Demoralisierung der Feinde und letztlich zum Sieg. Auch wenn Laktanz auf eine dezidiert christliche Bearbeitung des Gebetstextes verzichtet hat, was brigens ein starkes Argument fr dessen relative Authentizitt ist,
Der Eindruck einer Deutung des Licinius als Werkzeug Gottes gegen seine Feinde verstrkt sich nun noch, wenn man einen Blick auf die Schlusskapitel von De mortibus persecutorum wirft, in denen Laktanz auf die Ermordung von Angehrigen der vormaligen Tetarchen durch Licinius zu sprechen kommt. Fr Laktanz vollzieht sich hier das gerechte Niederkmpfen aller Gegner des Namens Gottes, also der einstigen Verfolger und ihrer Nachkommen. Denn in mort. pers. 50, 1 ist es niemand anders als Gott selbst, der dieses Gericht vollzieht. Handelnder aber ist, wie der Anschluss in mort. pers. 50, 2 sogleich zeigt, Licinius, der nach seinem Sieg die Familienmitglieder des Diokletian, des Galerius, des Severus und des Maximin Dajas tten lsst:
Auf diese Weise aber kmpfte Gott smtliche Verfolger seines Namens endgltig nieder, so dass von ihnen weder Stamm noch Wurzel brig blieb. Denn als Licinius den Gipfel der Macht erreicht hatte, lie er vor allem Valeria [] und desgleichen den Candidianus tten [].
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