Beck Don Edward - Spiral dynamics: mastering values, leadership and change: exploring the new science of memetics

Auch wenn diese Zeiten chaotisch und turbulent sind, sind sie doch kaum verrckt. Sie reimen sich ebenso auf Vernunft wie auf Unvernunft. Im Chaos lauert Ordnung und in der Ordnung stets noch ein grndlicheres Chaos. Wer Augen hat, zu sehen, Ohren, zu hren, und in seinem Denken Spiralen, um zu verstehen, wird leichter ruhig bleiben knnen, da er wei, dass uns der Himmel trotz allem nicht auf den Kopf fallen wird. Solche Experten in unserer Mitte leben nicht in Edwin Abbots zweidimensionalem Flachland. Ihr Denken ist auch nicht in sich wiederholenden Kreislufen gefangen. Werte, Komplexitt und Vernderung haben einen neuen Sinn im Raum der Spiralen, dem besten Platz, an dem man im 21. Jahrhundert leben und wirtschaftlich ttig sein kann.

Die Menschen im 21. Jahrhundert stecken in einem Sturm widerstreitender Werte. Ausbrche ethnischer Gewalt, kurzfristige Krisen und kologische Unsicherheiten ziehen wie Wolken am Horizont auf. Politische, technologische, konomische und soziale Krfte erzeugen jede Menge Scherwinde und Wirbelstrme auf dem globalen Marktplatz, als wren sie kollidierende Wetterfronten. Die meisten Fhrungskrfte sind vllig berraschend von den Gewitterben erfasst worden, wie Piloten, die veraltete Technologie benutzen. Weder unsere Wirtschaftsgurus noch unsere sozialen Auguren hatten uns auf diese Turbulenzen vorbereitet. Nichts ist aufgetaucht, was unsere Hhenmesser neu eingestellt oder unsere Kompasse neu ausgerichtet htte, ganz zu schweigen davon, dass uns etwas mit den Mitteln ausgestattet htte, mit denen wir die Kontrolle htten zurckgewinnen knnen.

Wirtschaftskapitne des privaten wie des ffentlichen Sektors restrukturieren, verschlanken, berarbeiten und hinken der Vernderungskurve hinterher, was sie nur immer mehr in Schieflage bringt. berall Zusammenbrche. Auf vielen Ebenen fliegen wir durch heftige Strme voller Hrten und Komplexitt, die in unseren Simulationen nirgends aufgetaucht sind. Warum?

Dies begann mit der Millenniumshysterie. Im 10. Jahrhundert nach dem gregorianischen Kalender am Ende der letzten tausendjhrigen Periode war Westeuropa schon einmal in Aufruhr geraten. Die Christenheit befiel fast eine Panik, da viele glaubten, das Jahr 1000 n. Chr. wrde das Ende der Welt durch eine zornige, dezimale Gottheit bringen.

Selbst Jahrhundertwenden erschttern Gesellschaften. Die Franzosen gebrauchen den Begriff Fin de Sicle fr derartig verrckte Zeiten, wenn Mystiker, Wahrsager und Propheten eine Endzeit ankndigen. Kein Wunder also, dass David Koresh und die Branch Davidians 1993 in der Nhe von Waco in Texas mit ihrem apokalyptischen Glauben so viel Aufsehen erregten. Ebenso sollte es uns nicht berraschen, wenn Fhrungskrfte auf der Suche nach einem Guru so verzweifelt nach jeder Art von Umstrukturierung greifen, die gerade Mode ist.

Diese Zykluskrankheit befllt allerdings nicht nur Eurozentristen oder die Geschftswelt. Sie breitet sich ber den gesamten Planeten aus. Egal welchen Kalender Sie verwenden, die heutige Welt ist chaotisch, voller Krisen und so komplex, dass wir es kaum glauben knnen. Ob Sie einen Anzug tragen, eine Sutane, eine Militruniform oder ob Sie in Jeans tun, wozu Sie Lust haben, Sie erleben den chinesischen Fluch sehr interessanter Zeiten.

Zweitens sind tief sitzende, fundamentale Glaubensstrukturen umgestrzt worden, was uns veranlasst, alles in Frage zu stellen. In der Vergangenheit waren wir eingeschrnkt aufgrund geografischer Entfernungen und einer Kommunikation mittels Rauchzeichen. Jetzt aber wissen wir zu viel zu frh. Wenn uns hier etwas umwirft, verbreiten sich die Stowellen binnen einer Stunde auf der ganzen Welt. Wie wandernde tektonische Platten reiben sich verschiedene grundlegende Denkweisen Paradigmen, wenn Sie so wollen aneinander. Diese tiefen Reibungen resultieren in Eruptionen an der Oberflche. Die Schockwellen erschttern kulturelle Gruppen, ziehen nationale Grenzen neu, redefinieren Mrkte und schreiben die Szenarien der Futuristen um. Die Beben hallen wider in der Geopolitik, in Rassenbeziehungen, ethnischen Konflikten, religisen Schismen, Geschlechterbeziehungen, in der Bildung, der Wirtschaft, der Umwelt, der Strafjustiz und in unseren unbeantworteten Fragen nach Moral und dem, was richtig ist.

Drittens bewohnen wir eine polyglotte, von Verschiedenheit geprgte Welt, die allerdings zurzeit noch nicht interdependent verbunden ist. Alle Schichten menschlicher Lebensformen, von Stammes- bis zu Informationsgesellschaften, befinden sich in einem tglichen Konkurrenzkampf um Nischen und Ressourcen. Das Ende der von Supermchten beherrschten bipolaren Welt lie alte Denkweisen, berraschende Eindringlinge aus unserer dunklen, gewaltttigen Geschichte, wieder auftauchen. Gleichzeitig werden neue Anstze fr ein Leben auf unserer Erde sichtbar. Wir gehen zurck in die Zukunft und vorwrts in die Vergangenheit und nehmen dabei alle Schurken und Heiligen der Geschichte in krzester Zeit in Anspruch.

Die Komplikationen in dieser Vielfalt knnen berwltigend sein. Alte ethnische Wunden speien Feuer, whrend transnationale, durch Satelliten miteinander verbundene Konzerne ihre Geschfte machen, ohne sich der feudalen Vergangenheit dort unten bewusst zu sein. Mit entsprechendem PR-Verstand kann so gut wie jedes soziale, kologische oder spirituelle Anliegen geradewegs ins Zentrum der globalen Fernsehbhne gelangen. Im Scheinwerferlicht zeigen sich Menschen aller Entwicklungsebenen als im Grunde gleich von einem schriftlosen indigenen Volk auf einer einst fernen Insel ber Terroristen, die irgendeinen Fundamentalismus untersttzen, bis zu Cyberfreaks, die sich auf den Datenautobahnen entlanghacken. Es ist, als kehrten alle menschlichen Denkweisen, die je existiert haben, zurck, um ihren Platz an der Sonne und ihr Stck vom Kuchen zu verlangen.

Und schlielich haben unsere expandierenden Wissenschaften und Technologien all diese guten Leute zu Bewohnern des globalen Dorfs verkleinert. Niemand kann sich verstecken. Ted Turners CNN und Boeings 747 schieben sowohl die Zeit als auch die Entfernungen wie ein Fernrohr zusammen. Das World Wide Web versammelt das Wissen. Was irgendwo geschieht, ist augenblicklich berall bekannt, die guten Nachrichten ebenso wie die Verrisse der Medienhaie. Flchtige Ideen verbreiten sich wie Buschfeuer, die ber stabile Institutionen hinwegziehen und sie in ihre Einzelteile zerlegen.

Knnte ein Psychograf wie auf einer Richterskala soziale Unruhen registrieren, welche Magnitude unserer gegenwrtigen menschlichen Erdbeben wrde sich dann auf ihm zeigen? 4,5? 5,7? 7,2? Noch hher? Stellen Sie sich einige Konsequenzen vor:

Was, wenn es keine Arbeit fr die Tausenden von Berufsttigen gibt, deren Positionen im mittleren Management aufgrund von right-sizing verschwinden, der Verschlankung und Entlassung in anachronistischen, aus der Zeit des Kalten Kriegs stammenden Industrien, und der in den Silicon Valleys neu Angeheuerten, die keine zustzlichen Leistungen verlangen?

Was, wenn es nicht genug Nischen fr die Millionen intellektueller Habenichtse der Dritten Welt gibt, die wie Motten von den hellen Lichtern eines besseren Lebens in den Stdten der entwickelten Staaten angezogen werden?