Kirsch - Bis zum Geständnis · Die spannenden Verhöre von Guantanomo bis Andreas Breivik

Alle in diesem Buch dargestellten Flle basieren auf authentischen Verhrprotokollen. Aus rechtlichen Grnden wurden die Personen jedoch verfremdet.

Fr Fragen und Anregungen: info@rivaverlag.de

Originalausgabe

1. Auflage 2017

2017 by riva Verlag, ein Imprint der Mnchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Strae 86

D-80636 Mnchen

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Redaktion: Sabine Franke

Umschlaggestaltung: Maria Wittek

Umschlagabbildung: TheRenderFish/shutterstock.com

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

Druck: GGP Media GmbH, Pneck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-7423-0335-6

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-832-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-833-2

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INHALT

VORWORT

Menschen lgen. Tglich. Sie tun das aus den unterschiedlichsten Grnden. Menschen lgen, weil ihnen die Wahrheit peinlich oder unangenehm ist. Menschen lgen, weil sie in einem besseren Licht gesehen werden wollen. Menschen lgen, weil sie sich dadurch einen Vorteil erhoffen. Und manche Menschen lgen, weil sie etwas verheimlichen wollen. Harmlose Dinge. Brisante Dinge. Oder kriminelle Handlungen. Von diesen Menschen handelt dieses Buch.

Es handelt von Verbrechern. Von Mrdern, Dealern, Vergewaltigern und Terroristen. Es handelt von Menschen, die Verbrechen begangen haben und alles dafr tun, dass ihre Taten unerkannt bleiben. Und es handelt von Menschen, deren Job es ist, diese Verbrechen aufzuklren. Von Ermittlern, die vor der Aufgabe stehen, die Lgen, die ihnen erzhlt werden, zu entlarven.

Das gelingt ihnen entweder durch gute Ermittlungsarbeit. Oder durch eine besonders geschickte Verhrtechnik. In den meisten Fllen ist es eine Mischung aus beiden Elementen, die einen Tter berfhren. In diesem Buch soll es aber um die Verhre gehen. Die Techniken, die Ermittler anwenden, um Menschen zu berfhren, die versuchen, die Wahrheit zu verschweigen.

Woran erkennt man, dass ein Mensch lgt? Das ist die Frage, die seit jeher sowohl die Forschung als auch die meisten einfachen Menschen interessiert. Entsprechend viele wissenschaftliche Untersuchungen gibt es zu dieser Frage. Die meisten Untersuchungen befassen sich mit der Krpersprache: Wer lgt, der vermeidet Augenkontakt. Wer lgt, der greift sich besonders hufig ins Gesicht. Wer lgt, der schaut meist nach links unten. Das alles sind gngige Klischees. Aber sie sind nur halb wahr. Keine dieser Verhaltensweisen wrde ausreichen, um einen Lgner zu berfhren. Alle diese krperlichen Reaktionen sind schlichtweg klassische Reaktionen auf emotionalen Stress.

Und jedes Verhr ist ein emotionaler Ausnahmezustand. Ob man schuldig ist oder nicht. Sobald man einem uniformierten Polizisten gegenbersitzt, der einem Fragen stellt, beginnt eine gewisse Nervositt. Bei jedem Menschen. Nein, es gibt keine feste Regel, an der man einen Lgner erkennen kann.

Aber es gibt Strategien: Je mehr Fakten ein Ermittler seinem Gegenber entlocken kann, desto mehr kann er ihn auf diese Fakten auch festnageln. Nicht immer ist es klug, einen Menschen direkt auf die Widersprche anzusprechen, die er in einem Gesprch macht. Es kann klug sein, diese Widersprche im Hinterkopf zu behalten und sie zu einem strategisch gnstigen Zeitpunkt auf den Tisch zu packen.

Und auch wenn es keine fixen Merkmale gibt, an denen man eine Lge erkennt: Es gibt Indizien. Erfahrene Ermittler werden aufmerksam, wenn sich inmitten einer Erzhlung pltzlich das Verhalten verndert. Das Erzhltempo schneller wird. Die Beschreibungen ausfhrlicher. Erfahrene Ermittler wissen, dass Lgner so lange die Wahrheit sagen, wie es ihnen mglich ist. Gelogen wird erst, wenn es unvermeidlich wird. Und ab diesem Zeitpunkt passiert etwas im Gesprch. Manchmal sind es kleine Details, die man kaum bemerkt. Manchmal sind es grere Verhaltensnderungen, die skeptisch machen.

Weil nur gelogen wird, wo wirklich gelogen werden muss, steckt in den meisten Lgen ein wahrer Kern. Das ist wichtig fr Ermittler, die sich in der Regel nicht blo ein Bild von dem eigentlichen Verbrechen machen. Sondern von den Dingen, die um das Verbrechen herum passiert sind. Auf diese Weise knnen sie die Erzhlungen, die man ihnen macht, besser in einen Kontext einordnen.

Aber am Ende des Tages gibt es nicht die Strategie, die zum Ziel fhrt. Jedes Verhr ist anders. Die Regeln einer Vernehmung bestimmen die Menschen, die im Verhrzimmer aufeinandertreffen. Das Spannungsfeld zwischen Ermittler und Verhrtem bilden die Grundlage fr dieses Buch, in dem 14 brisante Flle aus der ganzen Welt zusammengetragen wurden. Einige der vorgestellten Verhre sind historisch, die meisten aber stammen aus der jngeren Geschichte. Jedes Verhr illustriert ein anderes Vorgehen der Kriminalbeamten. Und aus jedem Verhr lsst sich eine andere Strategie ableiten.

Dieses Buch soll kein Handbuch fr Verhrtechniken sein. Es soll in erster Linie den Leser unterhalten. Mit spannenden Fllen. Und ihm auf diese Weise einen Eindruck von der authentischen Arbeit von Polizeibeamten geben.

Das Leben in Montgomery ist ein gemtliches Leben. Das knnte an der Hitze liegen. An der drckenden Hitze, die das kleine Stdtchen in Alabama jeden Sommer fr ein paar Monate in den Wrgegriff nimmt. Stephen Miller kennt diese Hitze. Und er kennt Montgomery. Er arbeitet schon seit ber 20 Jahren im Police Department der Stadt. Miller ist ein erfahrener Polizist. Ein Mann, der auf die Tugenden der klassischen Polizeiarbeit schwrt: Genaues Hinsehen. Gezielte Ermittlungen. Przises Nachfragen. Es sind eben jene Fhigkeiten, die ihn erkennen lieen, dass eine bestimmte Fallakte, die auf seinem Tisch landete, eine besondere Akte war. Obwohl sie auf den ersten Blick doch so harmlos wirkte.

Mary Allen ist verschwunden.

Eine Freundin hat sich bei der Polizei gemeldet. Sie habe Mary schon seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen. Sie habe alles versucht: Sie ist bei Mary zu Hause vorbeigegangen. Sie hat wieder und wieder angerufen. Sie hat sogar Briefe geschrieben. Aber Mary Allen antwortet nicht mehr. Und bei jedem Anruf wimmelte Marys Ehemann sie nur ab: Mary sei gerade nicht da. Mary sei gerade nicht zu sprechen. Mary habe gerade keine Zeit. Auch auf der Arbeit ist Mary nicht mehr erschienen. Sie jobbte als Kassiererin in einem kleinen Supermarkt. Bei den Mitarbeitern und bei den Kunden galt sie als besonders beliebt.

Eigentlich war Mary, Ende 60, schon in Rente. Und dennoch arbeitete sie regelmig in dem kleinen Laden, um ihren Unterhalt ein wenig aufzubessern. Ihr Verschwinden sei ein bisschen merkwrdig, gab ihr Chef zu Protokoll. Mary habe blo einen kurzen Brief geschickt, in dem sie von heute auf morgen kndigte. Das sei komisch gewesen. Mary habe doch schon seit so vielen Jahren in dem Laden gearbeitet. Man kannte sich gut. Man war doch beinahe so etwas wie eine Familie. Und dann nicht mal ein persnlicher Abschied? Ob er sich denn Sorgen machen wrde, hat die Polizei den Supermarkt-Chef bei einer ersten Vernehmung gefragt. Nein, sagte er. Das nun nicht. Ordnungsgem gekndigt habe sie ja. Und er sah keinen Grund, warum er sich um Mary Sorgen machen sollte. Sie sei eine resolute Frau. Vielleicht habe sie einfach etwas Besseres gefunden.