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VERLAG DIE WERKSTATT
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar.
3. Auflage 2011
Copyright 2009 Verlag Die Werkstatt GmbH,
Lotzestrae 22a, D-37083 Gttingen
www.werkstatt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt
ISBN 978-3-89533-835-9
I NHALT
Um die Bekloppten mssen wir uns keine Sorgen machen die Normalen sind das Problem!
(Jrgen Becker, Klner Kabarettist)
Alles, was ich sicher wei ber Moral und Pflicht,
verdanke ich dem Fuball.
(Albert Camus, franzsischer Schriftsteller und Philosoph)
Dieser Verein ist so geil wie nie zuvor.
(Karl-Heinz Rummenigge, 2001)
Schweini, ich will ne Sau von dir!
(Zuschauer, mnnlich, beim Bayern-Freundschaftsspiel in Rottach-Egern)
Der FCB ist das Nullplusultra im deutschen Fuball.
(Friedhelm Funkel, Bundesligatrainer)
A UFWRMPROGRAMM
Bayern-Fans sind anders! Das glauben viele, die sich fr Fuball interessieren. Zumindest wohl die meisten derer, die dem FC Bayern von Herzen alles Schlechte wnschen, und auch einige Bayern-Fans nehmen an, die Strahlkraft des Vereins bertrage sich auch auf sie. Manuel Andrack, kongenialer Stichwortgeber von Harald Schmidt und bekennender Fan des 1. FC Kln, bezeichnet Bayern-Fans durchgngig als kleine, dicke Konsumkids, die im neuesten Bayern-Trikot an der Hand des Vaters dem Erfolg hinterherlaufen.
Diese Spezies unter den Bayern-Fans gibt es tatschlich. Ich selber bin nicht klein, habe zugegebenermaen zwar etwas Probleme mit meinem Gewicht, aber ein Trikot habe ich die wenigste Zeit meiner Fankarriere besessen. Gegen junge Fans habe ich berhaupt nichts. Erst recht nicht dann, wenn sie ein Bayern-Trikot tragen. Jeder Profifuballverein produziert auf dem Hhepunkt seines sportlichen Erfolges ganze Jahrgnge, die ihm je nach Landstrich durchgngig die Daumen drcken. Das war mit Borussia Mnchengladbach in den siebziger Jahren und dem Namensvetter aus Dortmund in den Neunzigern nicht anders. Erfolg macht sexy. Fr kleine Jungs auch weit vor ihrer Geschlechtsreife. Man merkt es vielleicht, ich schreibe mich in Rage. Bayern Mnchen und seine angeblichen Erfolgsfans ist ein persnliches Reizthema.
Frankfurt am Main im Oktober 2007, Messehalle 3 der Buchmesse: ber Erfolgsfans, schlechte Stimmung in der Allianz-Arena und angebliche Traditionsvereine intensiv mit den Mitarbeitern des Werkstatt-Verlages ins Gesprch vertieft, machten mir diese ein spontanes Angebot: Schreib ber dich, den FC Bayern und deinen langen Werdegang als Fan. Wenn nicht du, wer dann? Was zunchst verlockend klang und nach viel Arbeit roch, lie mich dann doch stutzig werden. Eine Autobiografie mit 40? Ich bin doch nicht Daniel Kblbck. In meinem Alter aufgefordert zu werden, eine Autobiografie zu schreiben, ist so, als ob einem im Bus zum ersten Mal von einem Jngeren ein Platz angeboten wird.
Andererseits wurde es lngst Zeit, dass endlich auch ein Buch ber das Fantum des FC Bayern Mnchen auf den Markt kam. Ein Buch, das sich endlich auch mal aus der Sicht eines Bayern-Fans den zahlreichen Klischees, Vorurteilen und Neid-Themen ber den FCB widmet.
Nach weit ber 600 Bayern-Spielen in 29 Lndern hatte ich auch wahrlich genug Zeit zum Nachdenken. Was soll man auf den langen Auswrtsfahrten oft auch anderes machen? Nicht nur das, es bleibt einem manchmal gar nichts anderes brig. Sei es, weil einem auf der Rckfahrt auf der Autobahn die soeben erlebte Niederlage nicht aus dem Kopf geht. Oder aber auch, weil man beispielsweise von Mitreisenden auf der nchtlichen Fhrberfahrt zum Bayern-Spiel in Gteborg in die wenig sinnstiftende Diskussion hineingezogen wird, ob jetzt nun Reykjavik oder Trondheim das nrdlichste Europacup-Stadion hat. Von solchen und auch ganz anderen Themen handelt dieses Buch.
Alle beschriebenen Ereignisse, Begebenheiten und Kuriositten dieses Buches haben sich tatschlich auch so abgespielt. Man wird schnell merken, dass ich es nicht ntig hatte, Erfundenes hinzuzufgen. Im Gegenteil: Aus Platzgrnden musste leider auf so manche Anekdote und auf die Schilderungen von vielen Spielbesuchen verzichtet werden. Auch gibt es natrlich Details aus meinem Leben, die so privat sind, dass ich sie hier verstndlicherweise ausgeklammert habe.
Es ist auch mein 30-jhriger Lebens- und Leidensweg mit einem der aufregendsten Fuballvereine der Welt. Zunchst unbeholfen aus der Ferne, heute Mitarbeiter des FC Bayern in Mnchen. Eine Wegstrecke, die 1979 zu einem Zeitpunkt einsetzte, als man Fans mit Rowdys, bestenfalls noch mit Schlachtenbummlern gleichgesetzt hat. 30 Jahre spter ist diese Welt gesellschaftlich akzeptiert, Bhne fr gehobene Einkommensschichten, kommerziell durchgestylt, online abrufbar und wird virtuell simuliert. Doch es lohnt sich, diesen Wandel zu skizzieren und Erlebtes, Erfahrungen sowie eigene Erinnerungen am Beispiel Bayern Mnchen wieder wach werden zu lassen!
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" fr Tabil Tahabita mit der ID 2162063 generiert. 2012
1978/79
I RRITATIONEN ZU B EGINN
Ja, ich gebe es zu: Der Anfang war grn-wei-schwarz. Und Kenner der Bundesliga-Farbenlehre werden unweigerlich auf Borussia Mnchengladbach tippen. So war es tatschlich: Mein erstes Fanutensil war ein weies T-Shirt mit dem Borussen-Logo auf der Brust. Ich hatte weder Ahnung von Tabellenstnden, der Bedeutung von Ergebnissen, wusste nichts von der Vielzahl unterschiedlicher DFB- oder UEFA-Wettbewerbe ja ich kannte noch nicht einmal einen Spieler. Kurzum: Ich war neun Jahre alt und vllig ahnungslos. Mnchengladbach war ganz ganz weit weg. Ich brauchte lediglich ein neues T-Shirt, und es sollte nicht zu viel kosten. Also ab mit Muttern ins Billigkaufhaus mit dem fr mich auch heute noch fast unaussprechlichen und im Alltagsgebrauch ungeeigneten Namen Woolworth. Das unscheinbare T-Shirt hatte die eingangs bereits erwhnten netten Farben und lste unter meinen Freunden so etwas wie Anerkennung aus. Das war wichtig. Hinzu kam ja noch ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt: Als Junge wird man allenthalben nach seinem Lieblingsverein gefragt. Und, fr wen bist du? In solchen Fllen lag man als Ahnungsloser mit Ich bin fr Gladbach fast immer richtig. Das brauchte nicht langatmig begrndet zu werden. Das verstand seinerzeit jeder. Und was die eigene Unversehrtheit anbelangt: Das akzeptierte auch jeder. Jedenfalls fast jeder. Grn-Wei-Schwarz zu Beginn? Spter habe ich mich damit getrstet, dass die Vereinsfarben des FC Bayern anfangs auch mal Blau-Wei waren.
Ich wohnte in Leverkusen, genauer gesagt am uersten Stadtrand, fast schon im Bergischen Land. Borussia Mnchengladbach war im Europacup seit Jahren gut unterwegs, fr damalige Verhltnisse daher relativ oft im Fernsehen und bot dementsprechend Gesprchsstoff auf altersbedingtem Niveau. Es mag jetzt komisch klingen, aber auf andere Vereine hat man mich damals nicht aufmerksam gemacht. Kln, mit dem amtierenden Deutschen Meister 1978, lag eine gefhlte Tagesreise weit weg. Um mich herum drckte man Borussia die Daumen. Und Bayer Leverkusen? Die hielten sich fr mich unentdeckt gut in der 2. Bundesliga-Nord und stiegen erst ein Jahr spter auf.
Wenn ich so darber nachdenke, dann waren es eigentlich Zuflle, die mich sowohl zum Fuball und mit einiger Verzgerung zum FC Bayern gefhrt haben und mein Leben ungeahnt nachhaltig vernderten. Aber ist das nicht, wenn wir ehrlich sind, meist so im Leben? All die langfristigen Lebensplanungen und die Absolutheit von selbstbestimmten, bewusst getroffenen Entscheidungen hngen letztlich von einer nicht fassbaren Anzahl augenblicklicher Zuflligkeiten ab. Htte ich den naiv-schwrmerischen Erzhlungen meines besten Freundes tatschlich widerstehen knnen, wenn er mich mit Hymnen auf den HSV traktiert htte? Oder wre ich nicht sogar Fan des VfB Stuttgart geworden, wenn ich im Rahmen eines Verwandtenbesuches mal zu einem Spiel ins Neckarstadion mitgenommen worden wre? Ich glaube ja. Von meinem Vater hatte ich in dieser Hinsicht jedenfalls nichts zu erwarten. Ihm reichte die flchtige Ergebnis-Kenntnisnahme seines leisen Favoriten Preuen Mnster am Montag im Sportteil der Zeitung.